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Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses für die Stadt Köln, Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration, und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger (v.l.).

Kein Stimmenfang auf Kosten Geflüchteter

Datum:
22. Apr. 2024
Kein Wahlkampf auf Kosten von Geflüchteten: Kölner Kirchen überwachen Fairness-Vereinbarung im Vorfeld der Europawahl

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, werden als Schiedsleute den Europa-Wahlkampf der demokratischen Parteien überwachen, die das Fairnessabkommen des Kölner Runden Tisches für Integration unterzeichnet haben.

Die Formulierung darin könnte eindeutiger nicht sein: „Die unterzeichnende Partei verpflichtet sich ausdrücklich im Wahlkampf zur Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni 2024 die Vielfalt in unserer Gesellschaft zu achten und sich für gute Lebensbedingungen, Toleranz und ein friedliches Miteinander der Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kulturen und Religionen einzusetzen.“ Verpflichtet dazu haben sich im Vorfeld der Europawahl die demokratischen Parteien, die auch im Kölner Stadtrat vertreten sind. Dies sind die CDU, die SPD, Die Linke, Die Grünen, FDP und Volt. Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration, stellte das Papier gemeinsam mit Bernhard Seiger und Gregor Stiels im Haus der Evangelischen Kirche vor.

Die beiden Vertreter der Kirchen werden im Wahlkampf als Schiedsleute agieren und bei Verstößen gegen das Abkommen intervenieren. Das wird zunächst in einem vertraulichen Gespräch stattfinden. „Wir werden aber, wenn in diesem Gespräch ein Konsens nicht möglich ist, an die Öffentlichkeit gehen“, erklärte Gregor Stiels. Er betrachtet die Fairness-Vereinbarung „als präventives und nicht als drohendes Papier“. Es gehe in erster Linie darum, wie die Parteien mit dem Thema Migration umgingen, betonte Wolfgang Uellenberg-van Dawen.

„Die Parteien haben sich mit dem Fairnessabkommen eine Selbstverpflichtung gegeben, sich an diese Grundsätze zu halten. Sie sind das Commitment eingegangen, Herrn Stiels und mich als Ombudsleute zu akzeptieren, an die man sich in kritischen Fällen wenden kann“, erklärte Bernhard Seiger die Rolle der beiden Schiedsleute. Bei einer Meldung würden sich die beiden mit dem Runden Tisch für Integration und untereinander absprechen und sich dann an die zuständigen Parteivorsitzenden wenden. Diese seien in der Verantwortung, dass sich alle Repräsentantinnen und Repräsentanten ihrer Partei im Wahlkampf an die Vereinbarung halten. „Ich finde, das ist eine Form hoher politischer Kultur. Sie trägt zur Glaubwürdigkeit der Parteien bei, denn sie ist die Grundlage dafür, dass gewählte Vertreterinnen und Vertreter, hier konkret Abgeordnete im Europaparlament, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler haben,“ sagte Bernhard Seiger weiter.

Gregor Stiels dankte, dass man den beiden kirchlichen Vertreten das Vertrauen entgegenbringe, die Aufgabe als Schiedsleute zu erledigen. Er erinnerte an eine einstimmige Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz, dass rassistische Parteien nicht wählbar seien. „Ich habe das Gefühl, dass der gesellschaftliche Konsens, den auch die Kirchen mitgetragen haben, bröckelt.“ Es gebe Kreise, in denen würde Migrantinnen und Migranten verantwortlich gemacht für Probleme wie fehlende Schulplätze und fehlende Infrastruktur. Es gelte, sich an dem moralischen Kompass klar auszurichten und um einen gesellschaftlichen Konsens zu bemühen. Basis sei die unantastbare, unverfügbare Würde des Menschen.

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger zeigte sich dankbar gegenüber den Menschen, die sich für das Gemeinwesen, für die Politik im Land und Europa engagieren. Und natürlich gehörten dazu auch unterschiedliche Meinungen: „Es ist eine Frage der Kultur, einen offenen und wertschätzenden politischen Diskurs pflegen zu können. Die Fairness-Vereinbarung leistet dazu einen Beitrag.“ Der Stadtsuperintendent erinnerte auch an einen Besuch in der Kölner Synagoge vor wenigen Tagen: „Ich konnte spüren, wie sehr die letzten Monate die Angst der jüdischen Gemeindeglieder vor Antisemitismus geschürt haben. Man freut sich über alle, die die Lage jüdischer Menschen in Köln verstehen. Zugleich ist klar, man ist auch gegen Antiislamismus und Rassismus in jeder Form.“ Das Fairnessabkommen positioniere sich da mehr als deutlich. „Ich denke, die Weimarer Republik ist vor allem daran zugrunde gegangen, dass die extremen Positionen links und rechts zusammen gegen die demokratische Mitte vorgegangen sind und die demokratische Mitte nicht stark genug war. Das darf und wird sich nicht wiederholen, aber deshalb müssen wir eben bei den politischen Positionen, die Menschengruppen ausgrenzen, aber auch schon bei der Sprache aufmerksam sein.“

Meldung bei den Schiedsleuten
Jeder, der einen Verstoß der unterzeichnenden Parteien gegen das Abkommen feststelle, sollte sich bei den Schiedsleuten melden. Das ist unter der E-Mail-Adresse info@rundertischkoeln.de jederzeit möglich.

 

Beitrag veröffentlicht auf evangelisch Leben in Köln und Region am 25. April 2024
(Text: ©Stefan Rahmann)